07 Januar 2010

Kenyas wilder Norden, Dezember 2009

Reise zum Mond und in die Vergangenheit





Bei der Rueckkehr aus unserem Indien-Urlaub sollte die Regenzeit schon laengst Vergangenheit sein. Dem war nicht so und wir landeten unter einem bewoelkten Himmel in Nairobi - zurueck in Afrika. Als ob wir nie weggewesen waeren.

Nachdem wir uns ein paar Tage darauf brav bei Zoll (Kerim) und Immigration (wir) ausgestemmpelt hatten, haben wir Nairobi an einem Dezembermorgen verlassen und sind von dort nach Archerspost, 200km noerdlich gefahren. Dort verbrachten wir die Nacht auf einem einfachen aber teuren Campingplatz. Der gehoerte zu einem Projekt, welches ausgestossenen Frauen und Maedchen das Leben in einer neuen Gemeinschaft ermoeglicht, einer Art Frauendorf. Dieses Dorf besuchten wir am naechsten Morgen (kostete natuerlich etwas aber sollte ja hoffentlich einem guten Zweck zugute kommen) und wurden tanzend empfangen…wobei Daina gleich auch noch mitmachen durfte/musste. Der Besuch gab uns einen guten Einblick ins einfache Dorfleben der Samburus, einem wildgeschmueckten Hirten- und Kriegerstamm im Norden Kenyas. Erste Kontakte mit ein paar dieser wilden Gestalten hatten wir bereits am Vorabend bei einem Spaziergang durchs Dorf gemacht. Wobei sie geauso neugierig waren wie wir.









Kurz nach Archers Post verliessen wir die Hauptverbindungsachse Kenya-Aethiopien und holperten 200km in nordwestliche Richtung ueber felsige Pfade nach Maralal. Von jetzt an sahen wir nur noch vereinzelt Auto oder Motorraeder und an manchen Tagen gar nichts. Auch wurden die Schmuecke der verschiedenen Staemme wilder. Wunderschoen, wie man sich Afrika vorstellt!



Ab Maralal wurde es noch holpriger und die nachsten 100 km kamen wir nur noch mit Untersetzung voran - von einem Stundenschnitt von etwa 15km gar nicht zu sprechen. Der Weg bestand hauptsaechlich aus scharfkantigen Felsplatten und wir bangten staendig um unsere Reifen. Doch irgendwann war es geschafft und wir kamen auf eine sandige Ebene, gespickt mit wunderschoenen Akazien. Endlich konnten wir etwas ruhiger fahren Wie auch zuvor sahen wir Hirten (alle mit Sturmgewehren und Macheten bewaffnet) mit ihren Kamelen, Ziegen und Kuehen.





Doch die Ruhe sollte nicht lange waehren. Innert Minuten braute sich ein heftiges Unwetter zusammen. Kaum hatte der Regen eingesetz, war er auch schon so stark, dass wir den Pfad nicht mehr sehen konnten und gezwungen waren anzuhalten. Dies in einem Gebiet, dass vielleicht 6cm Regen pro Jahr sieht, normalerweise! Ein paar weitere Minuten spaeter war der Pfad zum Fluss geworden und wir hatten Angst, mitsamt Kerim davon gespuelt zu werden. Also versuchten wir langsam weiterzufahren....was auch ein paar hundert Meter klappte. Und dann kam eine Stelle, fuer uns unsichtbar unter den Fluten verborgen, an der das Wasser in den wenigen Minuten eine tiefe Querrinne in die "Strasse" gespuelt hatte. Und pflatsch, tauchten Kerims Schnauze tief ein….wenige Augenblicke spaeter begann der Motor zu stottern. Denn, benzinbetriebene Autos und Wasser vertragen sich nicht! Doch Daina schaffte es, Kerim wieder aus dem Graben zu wuchten ohne dabei den Motor abzuwuergen, womit die Probleme erst so richtig begonnen haetten. Von nun an musste Robin mit Regenschirm und Stock bewaffnet voranwaten um die Tiefe und Befahrbarkeit der Strasse zu pruefen. Wir waren noch mal mit einem Schrecken davon gekommen und schafften es nach Baragoi, dem naechsten Dorf.



Eine halbe Stunde spaeter schien die Sonne wieder und sandige Pfade fuehrten uns am Rande der Wueste Chalbi entlang. Und dann, nach etwa 60 km aenderte sich die Landschaft schlagartig. Erst lagen vereinzelte, bowlingkugelgrosse Lavakugeln herum. Schon bald wurden es immer mehr, bis sich in alle Himmelsrichtungen Kugel an Kugel reihte - keine Baeume, nur vereinzelt ein Pflaenzchen! Nur Lavakugeln und hin und wieder etwas Sand! Wie auf dem Mond. Wir holperten ein paar Stunden durch die Lavagegend und als wir ueber einen Huegel kamen lag ploetzlich der Turkanasee vor uns: Riesengross, ein See auf dem Mond! Bereits anch Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Loyangalani.







Zu sehen gibt es dort nichts, ausser Sand, Lava und ein paar Huetten in denen Angehoerige des Turkanastammes hausten. Deren Frauen und Maedchen tragen Irokesenschnitte und das Ausdehnen der Ohrloecher ist Volkssport.





Hier goennten wir uns einen Ruhetag und diese Pause sollte unsere Reiseplaene kreuzen. Die Weiterfahrt begann dann wieder mit Lava, doch bald wurde aus der Lavawueste eine Kies- und dann eine Sandwueste. Wir folgten einfach den wenigen
(1 bis 2) Spuren und genossen die Gegend. Und wieder kam der Regen. Nicht so stark, doch reichte es aus, um eine Sandpiste in eine Schlammpiste zu verwandeln. Und dann standen wir auch schon vor dem ersten, "frischen" Fluss. Knietief und 20 bis 30 Meter breit war er doch ein ernstzunehmendes Hindernis. Wieder hiess es waten und auch den Weiterverlauf des Pfades auf der anderen Seite suchen. Und dann blieb uns nichts anderes ueberig als warten. Das Risiko, mitten im Fluss stecken zu bleiben war zu gross....wer weiss, welche Wassermassen noch kommen? Der Vorteil ist aber, dass das Wasser zwar schnell kommt, es aber auch wieder schnell zurueck geht. So war nach einer halben Stunde das Wasser etwa 10 cm zurueckgegangen und wir wagten und schafften die Durchfahrt. Geschafft! ....doch auf die nachsten 40km verteilt erwarteten uns noch ein paar weitere Fluesse dieser Art, jeder mit seinen eigenen Tuecken: Sandige oder schlammige Flussbette, grosse Steine im Wasser, viel Wasser.....was man halt gerade nicht gebrauchen kann! Doch wir meisterten sie alle - etwas anderes blieb uns ja auch nicht uebrig. Doch dauerte es Stunden.....warten, graben, sondieren, messen.









Die Nacht verbrachten wir am Rande des Sibiloi Nationalparks und am naechsten Tag mussten wir durch den Park fahren. Dafuer durften wir 40 $ bezahlen und keine Tiere sehen. Denn der Park hat mit Tieren nichts zu tun sondern ist das Resultat politischer und persoenlicher Machtspiele. Der Weg war wieder sehr schlammig und immer wieder mussten wir weite Flaechen ueberqueren die uns und Kerim gut trugen...und dann ploetzlich nachgaben.





Aber auch dies ueberstanden wir leicht genervt und erreichten am spaeten Nachmittag den Grenzort Ileret.. Hier teilte uns die Polizei mit, dass die Grenze wegen Cholera geschlossen sei. Nach etwas Jammern (und Heulen von Dainas Seite) liess man uns jedoch trotzdem passieren....Aethiopien war nur noch 10km entfernt. Aber sooo einfach sollte es dann doch nicht gehen! Schon kurz ausserhalb des Ortes (wieder folgten wir den wenigen Spuren) sanken wir wieder im Schlamm ein - doch diesmal so richtig tief! Wir wuehlten und buddelten und nach einiger Zeit kam uns Pater Florian, (ein Deutscher Kapuziner der schon seit ueber zwanzig Jahren in Afrika taetig ist) mit einem Landrover voller Kinder zu Hilfe. Und mit vereinten Kraefen schafften wir es dann nach zwei Stunden, Kerim aus dem Matsch zu ziehen - und hatten uns selbst dabei in ueble Schlammkreaturen verwandelt! Die Weiterfahrt hatte keinen Sinn. Aber erst fuhren wir ans nahegelegene Ufer des Lake Turkana und wuschen uns und unsere Kleider...so gut es im nach Urin stinkenden Uferwasser halt ging. Die Nacht campierten wir dann vor der Katholischen Mission und Pater Florian gab ein paar unglaubliche aber spannende Afrika-Geschichten zum Besten. Auch mussten wir erfahren, dass die Querung nach Aethiopien in den naechsten Tagen aussichtslos sei, da es noch ein paar Flusslauefe (breitere, mit noch mehr Schlamm und Wasser) dazwischen haette. Wir gaben auf! Waeren wir (wie dies alle andern tun!) mit mehreren Fahrzeugen unterwegs gewesen, so haette man sich gegenseitg helfen koennen und die Querung vielleicht schaffen koennen. Doch alleine: NO WAY! ...wer will denn steckenbleiben und anschliessend von einer Springflut erfasst werden? Wir nicht, asante sanaa!



So kauften wir am naechsten Tag der Mission etwas Benzin ab. Nochmals Glueck gehabt, den wir haben mit aethiopischen Tankstellen gerechnet und auf aethiopischer Seite war die naechste Tanksaeule 500km entfernt! Und so machten wir uns auf den langen, mit vielen Hindernissen gespickten 700km Umweg zur naechsten offenen Grenze in Moyale, weit (weit!!) oestlich. Man denke an wiederum Lava-Fussbaelle, Pisten im Stile von Sandbaenken (inklusive Flussgeroell!), Flussdurchfahren und viel, viel Schlamm. Dazu muss gesagt werden, dass diese Region unter einer extremen Duerre gelitten hatte und schon vier Regenzeiten ausgeblieben waren! Doch da wir beiden ja eine Art Regenmacher zu sein scheinen wurde aus der duerren, staubigen Wueste eine morastige Moorlandschaft. Hat uns ja sehr fuer die armen Menschen und ihre Tiere gefreut - aber warum gerade wenn wir kommen? Ausserdem bewirkt der erste Regen nach so langen Duerren, dass die Tiere, durch Hunger und Durst geschwaecht, sich eine Erkaeltung holen und innert Stunden grosse Teile der Herden sterben.





Wieder sahen wir so gut wie keine Autos, dafuer viele Nomaden mit riesigen Kamelherden! Wir uebernachtetetn einmal in North Horr vor einer Polizeistation und plauderten Stundenlang mit jungen Polizisten ueber das Leben in Kenia. Diese begruessten uns mit “Ihr seid dort angekommen, wo ihr hinwollt.” So setzten wir uns und die Stunden vergingen wie im Flug.



Eine weitere Nacht campten wir bei einer Mission der " African Inland Church " in Kalacha, am Rande der Chalbi-Wueste in einer Oase. Nicht ganz unser Stil, doch waren es sehr freundliche, hilfsbereite Leute. Kurz vor erreichen der Ortschaft hatte sich ein erst gerade in Nairobi geschweisstes Teil (Stabilisator-Stange…oder so) losgerissen und hier wurden sie geholfen - die Jungen Missionare reparierten unser Auto wie's kein Afrikaner zuvor gemacht hatte (!) und wir erhielten einen aufschlussreichen Einblick in ihr Leben....ob es richtig ist, den Staemmen die Bibel naeher zu bringen sei dahingestellt. Jedoch scheinen sie mehr Sozialarbeit als irgend etwas anderes zu leisten....wir waren dankbar, uebernachtetetn auf ihrer Campsite unter einem Bilderbuch Wuesten-Sternenhimmerlund und plantschten in ihrem Pool!. Hat auch was gutes, so eine Oase.



Frisch geflickt fetzten wir dann am naechsten Tag durch die Sandwueste. Der Weg sei sehr wahrscheinlich passabel....wenn wir jedoch einsinken wuerden, Pech gehabt. Die Spuren anderer Fahrzeuge fuehrten uns quer durch die Wueste ueber eine fantasitsche Sand- und Salzflaeche. Hatte es hier kuerzlich geschneit?





Dann ging es weitere 100km ueber knochenbrechende, hirnerschuetternde Wellblechpisten und Schotterpfade nach Marsabit. Waren wir also wieder zurueck auf der Hauptverbindungsachse nach Aethiopien! Wir hatten eine strenge aber schoen Zeit hinter uns, moechten davon aber keine Minute (ok, fast keine) missen! Von dort fuehrte uns eine 250km lange Schotter- und Wellblechpisten an die Grenze, welche wir problemlos passierten! Wer haette dies gedacht, nach dem Visa-Aufstand in Nairobi!



Schliesslich verliessen wir Kenya am 17.. 12. 2009 und trafen in Aethiopien am 10.4. 2002 ein. Zeitreise nach Aethiopien, sozusagen! Nicht schlecht! (...hat aber damit zu tun, dass die Aethiopier einen eigenen Kalender haben.)

Doch die harten Bedingungen haben ihre Zoelle gefordert. Wir waren hundskaputt, ein paar Kilo leichter (nicht nur Benzin), ein paar Jahre aelter und konnten uns nicht mal richtig darueber freuen, endlich in Aethiopien zu sein. Auch hatte Kerims Dachtraeger ein kleines Loch ins Dach gerissen (wen wunderts, bei der marokanischen Fehlkonstruktion!) und es tropfte Oel in rauhen Mengen aus dem Motor. Doch der Bursche ist hart im nehmen und wir schafften es nach Addis Ababa , Aethiopiens Hauptstadt! Geschafft! Jetzt wird geflickt und dann werden wir sehen.